304 Geschichten aus Damaskus

Meister-Erzähler Rafik Schami beendete den "Kampener Literatursommer 2004"

Beherrscht die Kunst des Erzählens auf brillante Weise: Der Schriftsteller Rafik Schami. Foto: Jakat

Kampen/Sylt (Angelika Jakat) - Geschichten sprachlich schön, inhaltlich klug und rund erzählen zu können, so dass Zuhörer oder Leser nicht nur entführt, sondern zugleich verzaubert werden, das erfordert großes Können. Rafik Schami beherrscht die hohe Kunst unterhaltend zu erzählen und zu schreiben gleichermaßen brillant. So überraschte es nicht, dass der deutschsprachige Autor syrischer Herkunft das Publikum im "Kaamp-Hüs" mit seinem Vortrag begeisterte. Mit erzählten Auszügen aus seinem zuletzt erschienen Buch "Die dunkle Seite der Liebe" bescherte der 58-Jährige dem siebenten "Kampener Literatursommer" einen famosen Ausklang.

Rafik Schami, der über 20 Bücher in 23 Sprachen veröffentlicht hat, gilt weltweit als einer der besten deutschsprachigen Geschichtenerzähler. Sein jüngster Roman ist eine atmosphärisch dicht erzählte Familiensaga, die auf rund 900 Seiten drei Generationen syrischer Gesellschaft vorstellt; angesiedelt am Romanschauplatz Damaskus, Schamis Geburtsstadt, aus der der Sohn eines Bäckers vor über dreißig Jahren ins Exil nach Deutschland floh.

Die Zuhörer genossen über eine Stunde lang Schamis Ausführungen zu Inhalten des neuen Werks, das sich aus 304 Geschichten nach Art eines Mosaikbildes zusammensetzt. Am Stehpult erwies sich der Wahl-Pfälzer als ein Meister der freien Rede, der es versteht sein Publikum zu fesseln, und zwar auf poetisch-einfühlsame Weise. Dabei erzählerisch bunt und detailliert, humorvoll und fantasiereich. Zudem wird seine Erzählkraft gestützt durch eine Stimme, die immer noch Spuren seiner Muttersprache durchscheinen lässt und eine sprechende Gestik von orientalischer Prägung.

Über zwei Jahrzehnte habe er an diesem "Geheimprojekt" gearbeitet, sagte Schami, der mit seiner dramatischen Geschichte einer verbotenen Liebe zugleich interessante Einblicke in die arabische Seele Syriens vermittelt. Der "Roman für Winternächte", der auch "Kriminalroman" sei, schildert nicht nur Mord und welche sozial bestimmende Rolle die Sippe spielt, sondern auch den mutigen Kampf von Rana und Farid um ihre Liebe. Indem die Liebenden gegen das Tabu der Blutfehde rebellieren, demonstrieren sie ihren leidenschaftlichen Widerstand gegen moralische und religiöse Grenzen.

Dem Publikum gefielen die einnehmenden Ausführungen rund um das Leben in Damaskus. Und so war die "Entführung" des brillanten Geschichtenerzählers in den fremden Kulturkreis wieder einmal geglückt – was zuletzt ein außerordentlich herzlicher Applaus zeigte.

(Erscheinungsdatum: Samstag, 18.09.2004 / Sylter Rundschau)

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