"Kunst": Drei Männer und ein weißes Bild

Mit der Inszenierung "Kunst" stieg das Schleswig-Holsteinische Landestheater am Dienstagabend im Alten Kursaal in die neue Sylter Spielzeit ein. Die weltweit erfolgreiche Komödie von Yasmina Reza bescherte dem Insel-Publikum ein anregendes Theatererlebnis.


Beweisen Streitlust in Sachen Kunst und Freundschaft: Serge (Reiner Schleberger), Marc (André Eckner) und Yvan (Matthias Fuhrmeister). Foto: Jakat

Westerland/Sylt (aja) - Ohne Zweifel lässt sich über Kunst heftig streiten. Besonders, wenn die individuellen Einschätzungen und persönlichen Vorlieben über das, was den Sinn von vermeintlich wahrer Kunst ausmacht, weit auseinander liegen wie bei Marc, Yvan und Serge. Was dem einen die farbige Landschaftsansicht, ist dem anderen der röhrende Hirsch an der Wand, oder aber etwas Monochromes in weiß.

Bei der ersten Sylter Aufführung des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters in der neuen Spielzeit drehte sich im Alten Kursaal anfänglich alles um eine weiße Holzspanplatte. Die bildet den Auslöser für die Katastrophe in der Beziehung dreier Freunde in der Erfolgskomödie "Kunst" von Jasmina Reza, die 1994 in Paris uraufgeführt und seither in 36 Sprachen übersetzt wurde.

"Du hast nicht die geringste Kenntnis auf diesem Gebiet, wie kannst du also behaupten, ein bestimmter Gegenstand, der Gesetzen gehorcht, von denen du nichts weißt, sei eine Scheiße?" Serge verteidigt Marc gegenüber seinen Kauf von "weißer Scheiße" zum Preis von 200.000 Francs. Die sich hieraus entzündenden Streitigkeiten und Zerwürfnisse zwischen den drei Protagonisten, lässt Regisseurin Franziska Steiof von Anfang an in hitzig-aggressiver Atmosphäre ablaufen, die den subtilen Zwischentönen des Stücks nur noch bedingt Raum lässt.

So wird der 100-minütige Spielverlauf von leidenschaftlichen und lautstark geführten Auseinandersetzungen beherrscht, die auch die stillen und witzigen Momente im Stück und zwischen den Figuren allzu oft übertönen und dominieren, sodass sich beim Zuschauer ein dramatisch fein abgestuftes Erleben der im späteren Verlauf eskalierenden Freundschaftskrise nicht mehr recht einstellen will. Um das Bild geht es dann schon lange nicht mehr, vielmehr darum, die 15-jährige Freundschaft vor der Zerrüttung zu bewahren.

André Eckner gelingt es in der Rolle des Marc cholerische Fassungslosigkeit mit dem Eingeständnis seiner Eifersucht auf das Bild, das an seiner Stelle von Serge geliebt wird, zu verbinden. Auch Matthias Fuhrmeister versteht es als Yvan männliche Wehleidigkeit und naive Vermittlungsversuche zwischen den aufgebrachten Freunden spielerisch umzusetzen, um dann selbst zum Ziel derer Anfeindungen zu werden. Und Reiner Schleberger vermag es überzeugend Serge, den stolzen, selbstgefälligen Kunstliebhaber zu verkörpern, der sich über die Verunglimpfung von Marcs "reizloser" Freundin Paula, für dessen verbale Schmähungen rächt.

Am Ende überkommt Marc nicht wie zuvor Serge die "Vibration der Monochromie", stattdessen gibt er der Leinwand Form – wie vormals schon seinen Freunden: "Ich habe euch formen müsssen…" So wird das vormals gering geschätzte weiße Bild zur Fläche, auf der ein Mann auf Skiern den Raum durchquert. Ein durchaus anregender Start in die neue Theater-Spielzeit, wenngleich der Applaus der über hundert Besucher am Schluss fast schon verhalten ausfiel.

(Erscheinungsdatum: Samstag, 24.09.2004 / Sylter Rundschau)

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