Literarisches Duett mit Inge und Walter Jens

Als Ehefrau von Thomas Mann ist Katia Mann wohl eine der bekanntesten Nebenfiguren aus der Literaturwelt. In dem neuen Buch des Autoren-Paars Jens wird sie zur Hauptfigur.

Entwickelten gemeinsam ein erfolgreiches Buchprojekt über Katia Mann: Das Autoren-Paar Inge und Walter Jens. Foto: Jakat

Westerland/Sylt (Angelika Jakat) - Thomas Mann spielte im Leben seiner Frau Katia die größte Rolle. Während ihrer Ehejahre mit dem Nobelpreisträger und auch nach dessen Tod zierte die Bezeichnung „Frau Thomas Mann“ Katias Briefkopf. Wenn von den Manns die Rede ist, wird Katia Mann, die im Schatten ihres berühmten Gatten lebte, nicht zu unrecht in die zweite Reihe verwiesen.

Eine traurige Existenz, wie es scheint. Inge und Walter Jens haben sich jetzt mit „K“, wie Mann Katias Namen in seinen Tagebüchern abgekürzt hat, wissenschaftlich auseinandergesetzt. Rund 1000 Briefe aus Katia Manns Korrespondenz lieferten dem Ehepaar Jens ausreichend Selbstzeugnisse für ihr literarisches Frauenporträt. Darunter befinden sich bisher unbekannte Schriftstücke an die amerikanische Freundin Molly Shenstone und den Zwillingsbruder Klaus Pringsheim sowie Briefe ihrer Mutter Hedwig Pringsheim.

Ihre Arbeit habe unter der Fragestellung gestanden, „wie diese Frau ihr Dasein selbst gesehen und empfunden hat“, sagte Inge Jens am vergangenen Freitagabend im Evangelischen Gemeindehaus vor ausverkauftem Saal. Dort lasen Inge und Walter Jens Auszüge aus ihrem unlängst erschienen Buch „Frau Thomas Mann – Das Leben der Katharina Pringsheim“ (Rowohlt Verlag, Reinbek).

Im Jahr 1960 hatte Inge Jens, die einen Teil der Tagebücher und Briefe von Thomas Mann editiert hat, eine erste, „eindrucksvolle Begegnung“ mit Frau Mann, die sie als „direkt und offen“ schilderte. Die Zeit der Zusammenarbeit mit Walter Jens, die gemeinsame Sichtung und Gliederung der Stoffmassen, beurteilte die Autorin als „anstrengend und aufreibend“. Man habe gnadenlose Kritik an den Texten des anderen geübt, in diese hineingeschrieben und dann darüber diskutiert.

Walter Jens (Autor, Rhetorik-Professor, bis 1982 PEN-Präsident und ehemaliger Präsident der Berliner Akademie der Künste) bezeichnete sich selbst als „Quer- und Seiteneinsteiger“ in das Buchprojekt. Der 80-Jährige widerspricht der Auffassung von der leidenden Ehefrau. Katia Mann sei eine Frau mit Witz, Charme und Esprit gewesen. Sie habe sich gern im Glanz des viel geehrten Autors gesonnt, die vielen Reisen und Ehrungen genossen, bestätigte Inge Jens.

Katia, die Privatsekretärin und Chauffeurin „des Zauberers“, regelte Steuerangelegenheiten, trieb Honorare ein und war der „Kumpel“ ihrer Kinder, zu denen sie ein distanziert-tolerantes Verhältnis besaß. Kurzum: Der Existenzschutz der Familie, die Erhaltung des produktiven „Seelenfriedens“ ihres leicht reizbaren Thomas, stellte Katias Lebensaufgabe dar.

Inge Jens verwies auf Hartnäckigkeit als eine der Haupttugenden von Katia Mann, die 1980 im Alter von 97 Jahren starb. Ihren entlastenden Einsatz für den Schriftsteller-Gatten kommentierte Walter Jens mit den Worten: „Entscheidend war für sie eine Schreibweise zu finden, die so war, dass Freunde nicht identifizieren konnten, wer was geschrieben hat.“
Hand in Hand nahmen Inge und Walter Jens den Applaus des Publikums entgegen, dem die unterhaltsamen Text-Passagen gut gefallen hatten.


(Erscheinungsdatum: Montag, 26.05.2003 / Sylter Rundschau)

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