Auch auf Sylt: Arbeiten für einen Euro Stundenlohn

Wer ab 2005 erwerbslos ist, muss mit Einschränkungen rechnen. Davon ist bei Langzeitarbeitslosen nicht nur die private Haushaltskasse betroffen, sondern auch die berufliche Selbstbestimmung. Im Zuge des Strukturwandels durch Harz IV sollen mit Ein-Euro-Jobs Bezieher von Arbeitslosengeld II fit gemacht werden für den Sylter Arbeitsmarkt.


Die Aktivierung von Ein-Euro-Kräften für den Sylter Arbeitsmarkt übernimmt ab Januar 2005 das Sozialzentrum mit Sitz über der Sparkasse in Westerland. Foto: Jakat

Westerland/Sylt (aja) - Was bisher bereits für Sozialhilfeempfänger galt, wird ab 2005 auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II greifen. Dann werden Arbeitslose zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen, für die sie Stundenlöhne von einem Euro erhalten. Das Konzept der so genannten Ein-Euro-Jobs, die im Rahmen der Hartzs-IV-Gesetzgebung vom kommenden Jahr an gelten, sieht vor, dass die Betroffenen Berufserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt sammeln.

"Wir nehmen bis zum 30. November Meldungen von Arbeitgebern entgegen, die gemeinnützige Arbeiten anzubieten haben", sagt Stefan Feddersen vom Westerländer Sozialamt, der künftige Leiter des Sylter Sozialzentrums.

Seiner Einschätzung nach stehen rund 90 Prozent der zurzeit 80 Westerländer Sozialfälle für diese Art des "Zusatzjobs" zur Verfügung. Hinzu kommen all jene, die ab Januar Arbeitslosengeld II beziehen. Gestaffelt nach zeitlichen Stufen, würden diese bisherigen Klienten des Arbeitsamtes bis spätestens September 2005 an das Sozialzentrum abgegeben sein.

Ein-Euro-Job-Angebote sollen dazu beitragen, den Weg des Wiedereinstiegs der von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen in das Berufsleben zu ebnen. Nach Aussage von Feddersen ist dabei eine zeitliche Befristung des "Zusatzjobs" nach dem Sozialgesetzbuch (SGBII) nicht vorgesehen, eine sechsmonatige Frist aber wahrscheinlich.

Bis zu 30 Stunden in der Woche dürfen Teilnehmer an Ein-Euro-Job-Maßnahmen beschäftigt werden. Fest steht, dass der Ein-Euro-Lohn anrechnungsfrei ist und nicht vom Arbeitslosengeld II abgezogen sondern zusätzlich gezahlt wird.

Wer indessen eine "zumutbare" Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt oder ein Ein-Euro-Job-Angebot ausschlägt, der muss auch künftig zeitweise Geldkürzungen in Kauf nehmen.

Freiwilligkeit als Basis für motiviertes Mitarbeiten im fremden Betrieb greift hier nicht. Denn die durch die Arbeitsmarktreform Harz IV neu festgelegte Zumutbarkeitsregelung sieht vor, dass Arbeitsfähige verpflichtet sind, staatlich diktierte Jobs anzunehmen. Und zwar unabhängig von Ausbildung und beruflichem Werdegang.

Wie viele "Zusatzjobs" auf Sylt entstehen sollen, ist bisher noch ungewiss. Arbeiten auf dem Bauhof und in den Außenanlagen wie Müll einsammeln, Unkrat jäten kämen weiterhin in Frage. Ebenfalls solche für den Schulverband im Bereich der Hausmeistertätigkeiten oder der Schulpausenaufsicht. In der Altenpflege könnten Ein-Euro-Jobber als Ersatz für Zivildienstleistende zum Einsatz kommen oder auch in Kindertagesstätten und Tierheimen, so Feddersen: "Fall-Manager werden den jeweiligen Stand des Einzelnen ermitteln. Dann werden jeweils auf sechs Monate festgeschriebene Hilfepläne entwickelt. Insbesondere unter 25-Jährige haben einen Rechtsanspruch auf Arbeit und müssen den ihnen angebotenen Job machen."

Es läge im Aufgabenbereich des Kreises Nordfriesland Anträge auf Zuweisung von Ein-Euro-Arbeitskräften auf ihre Gemeinnützigkeit zu prüfen.

Was für den einen zur viel gerühmten Chance auf Beschäftigung wird, kann so für manch anderen ein berufliches Debakel bedeuten. Gerade höher qualifizierte Arbeitslose müssen sich künftig darauf einstellen, das Erleben des sozialen Sturzes emotional-seelisch auszuhalten.

Besondere Auswirkungen dieser sozialpolitisch Angelegenheit, sind gerade im Bereich des Niedriglohnsektors zu erwarten. Zwar sollen offiziell Ein-Euro-Jobs keine Konkurrenz darstellen für reguläre Arbeitsplätze im sozialen Bereich, im Handwerk oder etwa im Gartenbau. Doch eine beeinträchtigende Wirkung auf den Wettbewerb in diesen Branchen kann keinesfalls ausgeschlossen werden. Das dürfe nicht passieren, sagt Feddersen: "Doch die Kassen sind leer. Vieles bleibt liegen. Wir suchen in jede Richtung."

Anträge zur Prüfung der Gemeinnützigkeit im Bereich Ein-Euro-Job nimmt Herr Nils Krause, Sozialamt Westerland, entgegen, T.: 851510.

(Erscheinungsdatum: Mitwoch, 24.11.2004 / Sylter Rundschau)

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