Auch Organisten jazzen gern

Er gilt als einer der angesehensten Sylter Musiker: Jürgen Borstelmann. Als Organist begeistert der Westerländer mit seinem künstlerischen Orgelspiel – und überrascht auch sonst mit interessanten Kompositionen von ganz unterschiedlicher Stilistik.

Hat keine Berührungsängste mit populärer Musik: Jürgen Borstelmann. Foto: Jakat

Westerland/Sylt (Angelika Jakat) - „Ich liebe die Poesie in der Musik – besonders in Chopins’ Etüden“, sagt Jürgen Borstelmann und gesteht, dass kein Tag vergeht an dem er nicht ein Stück aus diesem Werk spiele. Und zwar gern früh morgens, weil dann „die Sinne frischer sind“.

Gerade zum Komponieren sei der Vormittag für ihn die beste Tageszeit. Obwohl er sich selbst nicht unbedingt zu den passionierten Frühaufstehern zählt. „Als meine Tochter noch kleiner wahr, fand ich wenig Zeit für die Musik. Und erst abends die Ruhe, um zu Hause im Tonstudio zu komponieren“, sagt der Vater einer 3-Jährigen, der sich auch in der Rolle des „Teilzeit-Hausmanns“ sicher fühlt. Nur das Kochen, nein, das könne er nicht besonders gut.

Borstelmanns Denken und Schaffen kennt ein anderes Ziel. Es ist die Musik, die eigene Komposition, die ihn fordert und mit ehrbarem Schöpfer-Stolz erfüllt. Er sagt: „Musik ist das Thema in meinem Leben, das künstlerisch bestimmt ist vom Drang kreativ arbeiten zu wollen.“ Schöpferisch tätig zu sein ist für den Organisten verwoben mit der Fähigkeit zu Selbstkritik. Geduld übe er bei der Lösung kompositorischer Probleme. Speziell wenn sich diese in Einzelfällen über Jahre hinwegstreckten. Was durchaus positive Seiten habe: Das Vertrauen in sich selbst sei durch die Praxis gestiegen, das Letzte aus einer Komposition herausholen zu wollen.

Borstelmann nimmt mit Acht Klavier- und Orgelunterricht und hat mit Zwölf erste Auftritte in Konzerten und Gottesdiensten. In Prof. Ernst-Erich Stender begegnet ihm während der Studienzeit in Lübeck ein Lehrmeister, der es versteht, wie man eine Orgel zum Sprechen bringt. „In den Medien wird oft nur ein Klischee von Orgelmusik transportiert“, berichtet Borstelmann angeregt, „doch es gibt in der Kirchenmusik weit mehr Ausdrucksmöglichkeiten als träge Choräle und langweilige Akkordsequenzen.“

Mit der Orgel spielerisch umzugehen, so dass diese lebendig, temperamentvoll und ausdrucksstark klingt, das versteht Jürgen Borstelmann anerkanntermaßen. „Meine Auffassung des Orgelspiels ist stark von der Emotion geprägt. Gleichzeitig versuche ich die Architektur und den Gedankengang einer Komposition klar herüberzubringen. Dazu gehört immer auch ein Schuss Improvisation“, so Borstelmann. Hier läst sich seiner Ansicht nach eine Parallele zwischen Jazz- und Kirchenmusikern erkennen. Da etwa Choralvorspiele oft improvisiert seien und in beiden Stilrichtungen Kirchentonarten Verwendung fänden.

An Inspiration fehlt es dem Gewinner diverser Kompositionspreis nicht, dessen Sylter Familienstammbaum bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht. Die Geburt seiner Tochter gab den Anlass für Jazz-Variationen über „Happy Birthday“ für Klavier. Für „Christmas-Jazz“ hat der 41-Jährige deutsche Weihnachtslieder stilistisch parodiert, sodass die weihnachtliche Originalmusik erhalten blieb, obwohl sie nun jazz-betont klingt.

Auch mit seinem neusten sylt-friesischen Liedbuch-Projekt „Sjung din Sölring wiis“, das er zusammen mit dem Sylter Autor Hans Hoeg entwickelt hat, beweist der anerkannte Kirchenmusiker, dass er es versteht, musikalische Ausdruckskraft herzustellen. Bei Konzerten und Kirchenveranstaltungen ist Jürgen Borstelmann in Hörnum, Rantum und List live zu hören, ebenso wie mit dem Trio „Ensemble Amabile“, mit dem er im Sommer zehnjähriges Jubiläum feiert.

Dass der Kantor gern Schach spielt verwundert kaum. Wie beim Komponieren ist auch hier Kombinationsfähigkeit gefragt. Von der Gemeinsamkeit der schwarzweiß Optik bei Tastatur und Spielfeld einmal ganz abgesehen.

(Erscheinungsdatum: Samstag, 27.03.2004 / Sylter Rundschau)

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