Spätes Mädchen und kaltblütige Mörderin

"Die Beauty Queen von Leenane" nennt sich ein Erfolgsstück des englischen Autors Martin McDonagh. Es wird seit diesem Jahr vom Schleswig-Holsteinischen Landestheater aufgeführt und bot am Donnerstagabend im Alten Kursaal ein überzeugendes Spiel um ungelebte Sehnsüchte, brennenden Hass und zerstörerische Gewalt.

Spannendes Theaterspiel boten René Rollin, Ingeborg Losch, Meike Fuhrmeister und Jens Hollwedel (v.l.) in "Die Beauty Queen von Leenane". Foto: Jakat

Westerland/Sylt (Angelika Jakat) - "Du hast noch immer den Blick einer Jungfrau und wirst ihn auch immer haben", sagt Mag Folan (Ingeborg Losch) im Rollstuhl sitzend zu ihrer Tochter. Und bedauert sogleich ihre unbedachten Worte, denen Maureen entnehmen kann, dass die Mutter einen Brief mit intimen Details von Pato Dooley (René Rollin) abgefangen und gelesen haben muss. Bosheit und Lügen zahlt Maureen der von ihr abhängigen Mutter, die erneut versucht hat in ihr Leben „reinzupfuschen“, mit brutalen Strafaktionen heim.

Dieses Mal bleibt es nicht allein beim Eintauchen der Hand der Intrigantin in siedendes Öl. Zu mächtig ist der Hass, zu groß die Beschämung der 40-Jährigen über ihre unbefriedigte Sehnsucht nach Sex, Freiheit und Zweierbeziehung.

Über zwei Stunden lang wurden über sechzig Zuschauer des Theaterstücks „Die Beauty Oueen von Leenane“ in einer eindrucksvollen Inszenierung von Axel Wandtke Zeuge eines tödlich endenden Mutter-Tochter-Konflikts, den Erfolgsautor Martin McDonagh in der irischen Provinz verankert hat.

Auf dem Höhepunkt der Ereignisse erschlägt Maureen ihre Mutter, um von der Bürde Tee, Brei und Porridge zu kochen los zu kommen; um frei zu sein für ein eigenes Leben mit ihrem Verehrer Pato in Amerika.

Drastisch wird das Quälen und Töten der Mutter von einer großartigen Meike Fuhrmeister als Maureen ausgespielt, die von Anfang an Einblicke in seelische Abgründe offenbart: Wenn einer die "selbstsüchtige, alte Hexe kalt macht", den "ollen Schädel abhackt", "das würde mir nichts ausmachen. Ich würd`s genießen!"

Schnell wird klar, dass der fortwährende, gehässige Kampf zweier Frauen auf eine psychologisch extrem gelagerte Situation zusteuert. Maureens morbide Träume nehmen dann auch die Katastrophe am Schluss vorweg: "Hab ich keine Träume? Manchmal träume ich von etwas anderem. Habe da so einen Traum von dir. Ganz in Weiß. In einem Sarg. Und ich daneben. Ganz in Schwarz."

Die rohe und kalte Sprache spiegelt exemplarisch die bedrückende Situation beider Protagonistinnen ebenso wie deren belastende Ängste und grausame Rücksichtslosigkeiten.

Doch damit nicht genug. Das Extremerlebnis Mord versetzt Maureen am Ende in einen Schock ähnlichen Zustand. In der Folge überlagert eine sie glücklich stimmende Illusion die tatsächlichen Geschehnisse des Mordabends, die ihrem Ideal einer Zukunft mit Pato entspricht. So drängt sich dem Zuschauer zuletzt der Eindruck auf, Maureen als eine gespaltene Persönlichkeit präsentiert zu sehen. Zumal die Mutter zuvor Maureens früheren Aufenthalt in einer „Klapsmühle“ enthüllt hatte. Der Hinweis kommt der Auflösung zugute. Die beängstigenden Züge des Stücks, die den Reiz des Vier-Personen-Psycho-Thriller ausmachen, werden indes nicht abschwächt.

Marlit Moslers schlichtes Bühnenbild einer dunkel gehaltenen Wohnküche rahmt ausdrucksvoll das Unheil bringende Geschehen, das auch das Sylter Publikum nachhaltig in seinen Bann zog.

(Erscheinungsdatum: Montag, 22.11.2004 / Sylter Rundschau)

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