Europäische Ur-Ängste in Afrika und der Verlust von Würde und Menschlichkeit

Wie Afrika Europäer in Punkto Humanität und Integrität fordert, diese Frage behandelt Hennig Mankells Afrika-Theaterstück „Antilopen“. Aufgeführt vom Schleswig-Holsteinischen Landestheater am Donnerstagabend im Alten Kursaal, erlebte das Sylter Publikum eine beeindruckende Inszenierung, die mit viel anerkennendem Beifall endete.


Zeigten Freude über den langen, herzlichen Applaus des Sylter Publikums: Oliver Hermann, Sabine Unger und Reiner Schleberger (v.l.).Foto: Jakat

Westerland/Sylt (Angelika Jakat) - „Alle Weißen haben Angst“, sagt Lars (Oliver Hermann) am letzten Tag vor seiner Abreise aus Afrika. Damit sich der Entwicklungshelfer und seine Frau (Sabine Unger) auf ihrem Wohnsitz sicher fühlen, leben sie seit vierzehn Jahren in einem vergitterten „Bunker“. Mit „Antilopen“ von Schwedens Bestsellerautor Hennig Mankell setzt das Schleswig-Holsteinische Landestheater – in einer gelungenen Inszenierung von Uta Koschel – das Thema Rassismus um. Es ist mehr als nur berufliches und persönliches Scheitern, das Mankell thematisiert. Nutzen und Ausbeutung füllen den Rückblick der Weißen auf ihr sinnloses Wirken. Verfehlt Lars’ Traum vom helfen wollen - von vierhundert angelegten Brunnen funktionieren allein drei.

„Wir helfen uns selbst“, so tritt dem „Versager“ seine verbitterte Frau entgegen, die ihre Dasein in Afrika als „Albtraum“ erfasst. Die schmählichen Dialoge zwischen den Eheleuten transportieren Resignation und psychischen Verfall. Alles in ihrem Leben ist so unübersehbar und formlos wie in dem Bühnenbild (Udo Hesse) mit seinen verstreut herumstehenden Kisten, Koffern und Whiskyflaschen.

Es herrscht emotionales Chaos, es wirkt Trunkenheit. Dem Zuschauer wird deutlich, den Entwurzelten sind im exotisch-fremden Land Moral, Regeln und Menschlichkeit verloren gegangen. Bezeichnend dafür sind Lars groesk-kalte Witzeleien. Und es berührt wenn Elisabeth, klar in ihrer Kontur, kritisch über die Aussichtslosigkeit spricht, begangene Schandtaten, Geringschätzung den Schwarzen gegenüber sowie das eigene „unverantwortliche Leben“ vergessen zu können. Ihre simple Botschaft: Es gibt keinen Neuanfang in der alten Heimat nach dem Verlust der eigenen Würde, was beide der Hoffnungslosigkeit preisgibt.Gemeinsam ist ihnen das Gefühl, gehasst zu werden.

Einsamkeit und Angst bestimmen die beklemmende, überspannt-skurrile Stimmung des Stücks, die auch über die Geräuschkulisse (Arthur Weinbrenner) von vibrierend zirpenden Grillen und ruhelos quakenden Fröschen transportiert wird. Die Beleuchtung tut ihr übriges: sie stützt den Eindruck vom Wechselspiel zwischen schaurigem Erkennen eigener Grausamkeit und grotesk-tragischer, inhumaner Wirklichkeit. Überzeugende Darsteller, differenziertes Spiel und klare Motive kamen bei den Zuschauern sehr gut an.

(Erscheinungsdatum: Samstag, 22.01.2005/ Sylter Rundschau)

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