Geschichten und Fotos vom Meer: Im Bann düsterer Naturbilder

Unter dem Titel "Und blieb ich am äußersten Meer" las der Schauspieler Michael Altmann in "Kamps Galerie" Texte zu Fotografien von Hans Jessel. Beide verbindet die Begeisterung für die Natur. Fazit: Ein gelungener Abend.


Gab eine bewegende Lesung: Michael Altmann, Schauspieler, Seefahrer und Weinbauer. Foto: Jakat

Keitum/Sylt (Angelika Jakt) - Die Lesung des Schauspielers Michael Altmann fand in der Galerie von Cornelia Kamp am vergangenen Sonnabend sehr großen Zulauf. Mit einem freundlichen "Auf die Treppe bitte", verwies die Galeristin späte Besucher auf die einzig freie Sitzgelegenheit, in dem mit circa 50 Personen restlos besetzten Ausstellungsraum.

"Und blieb ich am äußersten Meer" lautete das Thema des Abends. Michael Altmann las poetische See-Geschichten von W.G. Sebald, Erich Fried und Otto Philipp Runge. Großformatige Landschaftsaufnahmen von Hans Jessel, einem bekennenden "Freund des Meerwassers, der Horizontlinie", boten den fotografischen Hintergrund.

Erst gab es das Märchen "Vom Fischer und seiner Frau", dann wurde die Sebald Erzählung "Und ich blieb am äußersten Meer" vorgetragen. Stehend schloss Altmann mit dem Gedicht "Landlos" von Fried, das durch sprachlich virtuoses Spiel mit den Elementen Wasser und Meer bestach. Es folgte ein abschließendes Gespräch mit den beiden See-Begeisterten, das unter lebhafter Teilnahme der Zuhörer stattfand und von der Journalistin Hella Kemper moderiert wurde.

„Selbst wenn wir straucheln, können wir heute nicht untergehen“, sprach der einstige Seefahrer Altmann und eröffnete, ohne viele Worte vorweg zu schicken, den literarischen Abend. Das so umrissene Bild vom Untergang lieferte zugleich den passenden Stimmungsrahmen für die Geschichte vom Fischer und seiner gierigen Frau Ilsebill. Anfänglich mit ruhiger, eindringlicher Stimme gelesen, entwickelte der Thalia-Schauspieler Altmann den Text zu einer bewegenden Schilderung von Unglück bringender Maßlosigkeit.

Das Drängen und Gezeter der Frau vermittelte er intensiv und gekonnt. Dabei arbeitete er mit einem dunklen, bedrohlichen Stimmklang. Das Zerstörerische im Wesen der ständig unzufriedenen Ilsebill spiegelt sich im Text des Märchens wider, sinnbildlich in der Auflehnung der Elemente: Sturm kommt auf, das Meer tobt und brodelt, schwarze Wellen tragen weiße Schaumkronen.

Ebenso wie der Vortragende selbst, war das Publikum über eine Stunde lang im Bann düsterer Naturbilder. Denn fast übergangslos wechselte Altmann zum Sebaldschen Erzählstoff vom Naturforscher und Grenzgänger Georg Wilhelm Steller. Konfrontiert mit Schiffsuntergang, Tod und dem Grauen einer menschenfeindlichen Wildnis hatte Steller eine gescheiterte Beringsee-Expedition überlebt. Sebalds bildreiche Landschaftsschilderungen, das dramatische Schauspiel tief treibender Wolken im Orkan und die Begeisterung für die Grenzlinie von Land und Meer entschieden Altmanns Textwahl, da er hier „Nahtstellen“ zu den stimmungsvollen Naturaufnahmen von Hans Jessel fand.

Er versuche diesen „Kampfraum der Elemente“ in seinen Arbeiten künstlerisch zu begreifen, zu beleuchten, erklärte der Sylter Lichtbildner Hans Jessel in dem sich anschließenden Gespräch. Seine mitreißende Darstellung von der eigenen Schaffensmotivation, mit Hilfe der Kamera pure Natur abzubilden, das Unberührte zu zeigen, war ein weiterer Höhepunkt des Abends. „Ich lass mir die Motive von der Natur diktieren“, sagte der diplomierte Geograf, dessen Archiv rund 70.000 Fotos umfasst. Das fotografische Spiel mit Sylter Naturmotiven, mit Sand, Dünen, Meer und Licht sei Ausdruck seiner Nähe zur Natur, die von frühester Kindheit an immer da war. Und die auch dem Klepperbot-Fahrer Altmann „alles“ bedeutet.

Die gemeinsame Begeisterung für die Seefahrt, den Weinanbau und die Küsten dieser Erde wird die beiden Künstler wohl auch zukünftig verbinden. Ein sichtlich angeregtes Publikum verlies in munterer Stimmung "Kamps Galerie", wo Jessels Arbeiten noch bis Ostern präsentiert werden.

„Fotografie heißt mit Licht zeichnen“, (Hans Jessel, Fotograf)

(Erscheinungsdatum: Dienstag, 13.08.2003 / Sylter Rundschau)

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