"Die Achtsamkeit des Augenblicks"

Kamps Galerie und das Hotel Benen-Diken-Hof in Keitum zeigen zurzeit in einer gemeinsamen Ausstellung farbige, gegenstandslose Arbeiten von fünf renommierten Künstlern.

Erschaffen Bildwelten: Joe Barnes, Jon Groom, Ivo Ringe und Claudia Desgranges im Benen-Diken-Hof in Keitum vor den „April Paintings 2003“ von Ivo Ringe (v.o.l.). Foto: Jakat

Keitum/Sylt (aja) - Farbe pur, in vielen Formen, Formaten und auf allerlei Materialien, bis hin zu wandeinnehmenden monochromen Bildarbeiten – so begegnet einem seit vorgestern die neue Ausstellung in Kamps Galerie mit fünf Künstlern, die parallel im Hotel Benen-Diken-Hof stattfindet. „Die Achtsamkeit des Augenblicks – 5 Maler“ lautet der Titel der Bilderschau, die zugleich Kunstprojekt ist und zuvor mit großformatigen Varianten im Neuen Kunstverein Aschaffenburg zu sehen war.

In der Ausstellung werden verschiedene malerische Haltungen und künstlerische Momentaufnahmen gezeigt, die den direkten Dialog mit dem Betrachter suchen und auch erzielen. Und zwar auf der Wirkungsebene einer rein sinnlichen Wahrnehmung in Form von auffallender Farbigkeit.

Joe Barnes, Claudia Desgranges, Jon Groom, Ivo Ringe und Jerry Zeniuk verwandeln die Räume und Wandflächen des Galerie-Cafes und analog die Gänge und Flure des Hotels in farbmächtige, stimmungsvolle Kunst-Inseln. Farbe dominiert den Raum, Farbe bedient sich der Fläche und des Materials, Farbe bildet bei allen Arbeiten den zentralen Referenzpunkt. Die Bilder sind das Resultat eines fortdauernden Malerei-Experiments, betitelt als „experiment in progress“.

Das Material Farbe bildet einen gemeinsamen thematischen Kontext. Zusätzlich sind alle Werke unter Verwendung einer jeweils für den Künstler neuen Ausdruckstechnik entstanden, in Aschaffenburg und zum Teil auf Sylt. Die Ergebnisse der Beteiligten sind daher für sich genommen spannend, wenn auch nicht gänzlich neu.

Die Kölner Malerin Claudia Desgranges setzt ganz eigene Akzente, indem sie Metall-Bildträger aus flachen Aluminiumplatten verwendet, auf die sie etwa vertikale Farbbahnen aufträgt, um diese anschließend mit horizontalen Pinselstrichen zu kombinieren. Der Waliser Jon Groom komponierte eine Aquarell-Bilderserie vor Ort in Keitum, die das Zusammenspiel unklar abgegrenzter Farbflächen beschreibt. Der Amerikaner Joe Barnes widmet sich der meditativen Wirkung von Farbe. Deren Präsenz als Uni-Schwarz oder -Rot gestaltet gewissermaßen die Aura des Kunstwerks.

Jerry Zeniuk zeigt frei gemalte, vertikale Aquarell-Farbstreifen auf Papier, die an den Rändern zerfließen. Der in New York und München lebende und arbeitende Künstler setzt so sein Interesse an der Ästhetik von lebendiger Farbgebung um. Die Bilder des Kölners Ivo Ringe verknüpfen Farbe und Form. Sein Umgang mit Strukturen überrascht: Alte, mehrfarbige Stoffmuster werden von einfarbigen Farbflächen ungleichmäßig gerahmt und erscheinen in der Folge als isolierte, lose auftauchende Bildpunkte. Oder es herrscht scheinbar Bewegung im Bildraum, weil sich Ringes abstrakte Formenschwünge aus Farbe optisch mit der darunter freiliegenden Textilflächen messen. „Der Titel der Ausstellung steht auch für die eigene Auseinandersetzung mit dem Moment, wenn die Farbe vom Pinsel tropft“, kommentiert Ringe seine Auseinandersetzung mit dem gestalterischen Erlebnis.

Das harmonische, anregende Neben- und Miteinander der einzelnen Bilder schließt den Kreis zwischen den malerisch unterschiedlichen Künstlern. Zugleich spiegelt sich hier das Gelingen des Fünfer-Experiments, das auch in der Bewältigung von Abgrenzung und Konkurrenz besteht: Über die intensiven Begegnungen, die persönliche Zusammenarbeit hat sich während des Projektverlaufs eine Art Künstler-Gemeinschaft herausgebildet, sagen die vier Kunstschaffenden, die sich jetzt bei Cornelia Kamp und auf der zweiten Projekt-Station wieder trafen.

Eine Grafikmappe mit fünf zeitgenössischen Lithografien von zeitloser Wirkung ergänzt die aktuelle Ausstellung. Eine Fortsetzung soll folgen - vielleicht in New York. In Keitum ist die künstlerische Vielfalt der fünf international anerkannten Maler noch bis zum 2. November zu bestaunen.

„Sieh die Welt mit Kinderaugen“ (Jon Groom, Maler)

(Erscheinungsdatum: Freitag, 05.09.2003 / Sylter Rundschau)

zurück zur Artikelliste